Leserbrief vom 24.2.2009 (Echo) zur Opel-Krise:
Es herrscht Marktsättigung
Hätte es die Finanzkrise nicht gegeben, die Autobauer hätten sie wohl erfinden müssen. Denn die Probleme der Banken haben nur das Fass zum Überlaufen gebracht: Schon lange werden überall auf der Welt viel zu viele Autos gebaut.
Nahezu alle Autos haben einen hohen Qualitätsstandard erreicht, ähneln sich auch im Aussehen immer mehr, halten erfreulicherweise immer länger und auch kleine Fahrzeuge bieten einen hohen Komfort, so dass im Grunde nur noch mit elektronischem Schnickschnack und dergleichen zum Kauf neuer Autos zu animieren versucht wird. Es herrscht schlicht eine Marktsättigung. Da aber unter derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnissen eine planvolle Regelung der Produktion nicht möglich und erwünscht ist, kommt es zu Überproduktion und Absatzkrise. Bei der folgenden „Marktbereinigung“ bleiben ein oder mehrere Produzenten auf der Strecke.
Während alle Hersteller mehr oder weniger sorgenvoll in die Zukunft sehen, reiben sich die Stärkeren unter ihnen bereits die Hände und freuen sich auf Marktanteile der Verlierer. Es spricht einiges dafür, dass Opel zu den Verlierern gehören könnte. Aber nicht in erster Linie wegen der Situation des Mutterkonzerns in den USA.
Schon in den letzten Jahren gingen die Verkaufszahlen bei Opel kontinuierlich zurück. Auch das liegt nicht daran, dass Opel schlechtere Autos baut als die Konkurrenz. Vielmehr sind es eher psycholgisch-gesellschaftliche Ursachen, warum es Opel am härtesten trifft. Opel war in seinen Blütezeiten das Auto von „Otto Normalverbraucher“. So jemand will aber niemand mehr sein, selbst wenn er es ist – und kauft sich, sofern er noch Geld hat, deshalb zum Beispiel einen Audi oder BMW. Diesen geht es derzeit zwar auch nicht gerade gut, aber doch besser als Opel.
Die Lösung dieser Probleme kann nicht darin bestehen, zu hoffen, zu den „Überlebenden“ der Krise zu gehören, dass es einen Konkurrenten härter erwischt, dass ein anderer Hersteller vom Markt verschwindet: Was geschieht dann mit den Kollegen dieser Werke?
Vielmehr sollte man sehen, was es auch bedeuten kann, wenn durch hoch entwickelte Technik mit immer weniger Menschen ausreichend viele qualitativ hochwertige Güter erzeugt werden können: Die notwendige Arbeitszeit ließe sich für alle wesentlich reduzieren, andere, vielleicht auch durchaus nützlichere Dinge als Autos könnten mit freien Kapazitäten hergestellt werden, und statt Arbeitshetze und Überstunden für Wenige – Muße und Ausbildung, vielfältigste Beschäftigungen für Alle in der neu und wieder gewonnenen Zeit.
Ein gründliches Nachdenken darüber, was, wann, wo und wie produziert wird, ist notwendig. Sonst ist ein mögliches Ende dieser Krise nur der Anfang der nächsten.
Michael Flörsheimer
Uranstraße 7
65428 Rüsselsheim
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