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28.02.2010:
Einschätzung der Versammlung des Ortsverbandes Rüsselsheim von Die Linke und der dort getroffenen Entscheidung zur Eigenkandidatur bei der
Kommunalwahl 2011 (von Bernd Heyl)
Ein unheimliches Szenario
Rüsselsheimer Echo und Mainspitze vom 24.02 2010 berichteten von einer Mitgliederversammlung des Rüsselsheimer Ortsvereins der Partei „Die Linke“. Der Bericht muss aus der Feder der Organisatoren stammen, denn es war kein Pressevertreter bei dieser Veranstaltung zugegen. Leider!
Als ich gegen ca. 19.00 Uhr den Veranstaltungssaal im Rind betrat, bot sich folgendes Bild: Im Saal, in dem sonst Kultur und Musikveranstaltungen stattfinden, waren vier Stuhlreihen aufgestellt, ihnen frontal gegenüber, etwa in vier Metern Abstand, das in rotes Tuch gehüllte Podium. Neben dem Podium stand ein ebenfalls in rotes Tuch gehülltes Rednerpult. Auf diesem Rednerpult und vom Saal aus gesehen rechts auf dem Podium standen je ein roter Stammtischwimpel mit der Aufschrift „Die Linke“. Vor dem schwarz gehaltenen Hintergrund und der spärlichen Beleuchtung eine düstere Atmosphäre. Der Ortsvereinsvorsitzende Cetin Yesil lief aufgeregt am Handy telefonierend hin und her. Offensichtlich waren noch nicht alle von ihm erwarteten Freunde seiner kurdischen Community anwesend. Die Veranstaltung begann, nachdem die Erwarteten nach und nach eintrafen, mit einer halben Stunde Verspätung. Im Saal waren jetzt 16 Mitglieder der Partei die Linke aus Rüsselsheim, sowie zahlreiche Mitglieder und Freunde der Wählerinitiative „Die Linke/Liste Solidarität“ sowie fünf weitere Gäste.
Herr Yesil stellte sich als Veranstaltungsleiter vor und kündigte an, dass die gesamte Veranstaltung aufgezeichnet werde, denn schließlich wolle man ja später die Möglichkeit haben, das Gesagte zu verwenden. Daraufhin verwahrte sich der Stadtverordnete Karl-Heinz Schneckenberger, selbst Mitglied der Partei „Die Linke“ dagegen, dass seine Redebeiträge aufgezeichnet werden. Auf meinen Einwurf hin, dass ich als Nicht-Mitglied auch darauf bestehen würde, dass meine Redebeiträge nicht aufgezeichnet werden, antwortete Carsten Heil, der ebenfalls auf dem Podium saß, dass Nichtmitglieder ja gehen können, wenn sie nicht möchten, dass ihre Beiträge aufgezeichnet werden. Es entstand Unruhe im Saal. Cetin Yesil stellte sodann den Ablauf der Veranstaltung vor. Nach einem einleitenden Vortrag von Carsten Heil solle Raum für 30 Minuten Diskussion sein, Redebeiträge würden auf 3 Minuten beschränkt. Auch dies wurde von Anwesenden kritisiert, doch in der dann durchgeführten Abstimmung zeigten sich die Mehrheitsverhältnisse des Abends: Vier Parteimitglieder stimmten für eine offene Diskussion 12 dagegen.
Der nun folgende Vortrag von Carsten Heil enthielt außer einiger politischer Plattitüden nur Tiraden gegen die Wählervereinigung „Die Linke/Liste Solidarität.“ Es wurde kritisiert, dass hier „Intellektuelle“ das Sagen hätten, einfache Leute bei Arbeitstreffen den Beiträgen nicht folgen könnten und dass die Liste dem diesjährigen Rüsselsheimer Haushalt, den Yesil später fälschlich als Haushaltskonsolidierungsprogramm bezeichnete, zugestimmt habe. Weitere konkrete inhaltliche Kritikpunkte an der Arbeit der Liste Solidarität konnten auch auf mehrfache Nachfrage hin nicht benannt werden.
In der Anschließenden Diskussion widerlegten der Stadtverordnete Karl-Heinz Schneckenberger, Heinz-Jürgen Krug und ich die Vorwürfe gegen „Die Linke/Liste Solidarität“ und wiesen darauf hin, wie wichtig ein gemeinsames Vorgehen der Linken am Ort ist, wie schwierig es war diese Einheit 2001 herzustellen. Hervorgehoben wurde auch, wie sehr es darauf ankommt, über eine Kandidatur nicht in einem Parteihinterzimmer zu entscheiden, sondern sich mit den sozialen Initiativen in der Stadt abzustimmen und in Kooperation mit diesen ein Kommunalwahlprogramm zu entwickeln, so wie es die Wählervereinigung „Die Linke/Liste Solidarität“ begonnen hat. Auch Christiane Böhm, Kreisvorsitzende der Partei „Die Linke“ im Kreis Groß-Gerau warnte den Ortsverein der Partei eindringlich davor, eine eigene Kandidatur in Konkurrenz zur Wahlinitiative „Die Linke/Liste Solidarität“ zu beschließen.
Auf fast jeden kritischen Redebeitrag aus dem Publikum gab es eine Replik von Cetin Yesil, für den weder Redezeitbegrenzung noch Rednerliste galt. Er holte weit aus, kramte Persönliches hervor ohne sich jedoch mit der Frage zu beschäftigen, welche politische Folgen die Kandidatur von zwei linken Gruppierungen in Rüsselsheim hat. Alles Argumentieren war hier vergebens, denn Yesils Freunde waren bereits vor der Versammlung auf das Ergebnis eingeschworen, ein wirklicher Austausch von Argumenten fand nicht statt. Die „Diskussion“ war eine Theaterinszenierung im Vorfeld einer Abstimmung, deren Ergebnis bereits feststand. 12 der Anwesenden votierten dafür, dass die Partei „Die Linke“ unter dem Titel „Die Linke/offene Liste“ bei der kommenden Kommunalwahl in Rüsselsheim kandidieren soll. Vier Rüsselsheimer Parteimitglieder stimmten dagegen und erklärten, dass sie sich weiter an dem inhaltlichen Diskussionsprozess der Wahlinitiative „Die Linke/Liste Solidarität beteiligen werden.
Die Veranstaltung wirft ein trauriges Licht auf einen Teil der Mitglieder des Rüsselsheimer Ortsvereins „Die Linke“. Hier geben offensichtlich Menschen den Ton an, die tief in antidemokratischen und totalitären Politikvorstellungen verhaftet sind. Die „Kultur“ der von ihnen inszenierten Veranstaltung lässt sich nicht anders beschreiben. Sie versuchen mutwillig und um persönlicher Vorteile Willen die gewachsenen Bündnisstrukturen der Rüsselsheimer Linken, die weit über das Spektrum der Partei „Die Linke“ hinausgehen, zu zerstören. Indem Cetin Yesil für dieses Vorhaben vor allem seine kurdischen Freunde mobilisiert, schadet er darüber hinaus massiv allen Kurden in Rüsselheim, denn er brüskiert vor allem die Rüsselsheimerinnen und Rüsselsheimer, die in der Vergangenheit solidarisch die kurdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger unterstützt haben.
Bernd Heyl
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