Leserbrief von Michael Flörsheimer
zum ECHO-Artikel „Vereinbarungen unterzeichnet“ vom 12. November:
Devot und naiv
Zur China-Reise von Burghardt, Ockel und Jühe
Wenn man den Bericht über die China-Reise von Burghardt, Ockel und Jühe liest, weiß man nicht, worüber man sich am meisten wundern soll: über die großspurige Titulierung („Deutsch-Chinesisches Städte-Netzwerk“), die devote Einstellung („... von den Chinesen ein Stück wahrgenommen worden sind“) oder die Naivität und Unkenntnis, die die drei China-Reisenden augenscheinlich auszeichnet.
China steht derzeit vor großen ökonomischen, ökologischen und sozialen Problemen. Die Umorientierung von einer extrem von der krisenhaften globalen ökonomischen Entwicklung abhängigen Exportindustrie zu größerem Binnenkonsum funktioniert nicht, da die materiellen Verhältnisse der großen Mehrheit der Bevölkerung dafür keine Basis bildet. Die immense Umweltverschmutzung verursacht schlimme Folgen nicht nur für die Menschen in China. China ist ein Land mit heftigen sozialen Kämpfen, Streiks und lokalen Revolten.
Können wir ein ernsthaftes Interesse haben, weiter Flächen für die Verteilung von Waren bereitzustellen, die unter miserablen Bedingungen für Menschen und Umwelt hergestellt werden – anstatt uns zu bemühen, produzierendes Gewerbe anzusiedeln, das unseren Standards genügt, qualifizierte Arbeitskräfte nachfragt, anständig bezahlt und ökologisch nachhaltig tätig ist? An solchen Investitionen in Deutschland haben chinesische Unternehmen auf absehbare Zukunft kein Interesse.
Michael Flörsheimer
Uranstraße 7
65428 Rüsselsheim
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