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Medienreflexe Dezember 2007
Zu drei Themenbereichen gab es Pressemeldungen, die wir nachfolgend kommentieren:
1. OECD-Studie zur Situation von Langzeitarbeitslosen
2. CDU und "Ausgabenproblem" der Stadt Rüsselsheim
3. Studie des BMI "Muslime in Deutschland"
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1. OECD-Studie zur Situation von Langzeitarbeitslosen
Pressemeldungen:
Nur Dänen geht's noch besser
Im OECD-Vergleich geht es deutschen Langzeitarbeitslosen gar nicht so schlecht
(www.stern.de - 13.12.2007 - 11:56 )
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Studie: Vor allem Langzeitarbeitslose mit Kindern
besser gestellt als in anderen Industriestaaten
…
Vor allem Langzeitarbeitslose mit Kindern seien in Deutschland deutlich besser gestellt als in den meisten anderen OECD-Ländern. (Main-Spitze, 14.12.2007)
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Die Reformgegner werden staunen: Trotz der Einschnitte durch die Hartz-Gesetze bekommen Langzeitarbeitslose in Deutschland laut OECD mehr Geld als in anderen Ländern.
(http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,523098,00.html)
Unser Kommentar:
Nun würde sich an der erbärmlichen Lage derjenigen, die sich und eventuell ihre Kinder mit den Hartz4-Beträgen versorgen müssen,
nicht das Geringste ändern, wenn in allen andern OECD-Ländern
(außer Dänemark) die Lage von Langzeit Arbeitslosen noch
schlechter wäre. Als propagandistisches Mittel gegen die Kritiker
der Hartz4-Regelungen („Reformgegner“) und für eine weitere
Absenkung von Sozialleistungen halten die Verfasser der oben
dokumentierten Presse-Lügen das gefälschte "Ranking" (neudeutsch für Reihenfolge) aber offenbar für brauchbar.
Zu den tatsächlichen Ergebnissen:
Bei einem/einer alleinstehenden Langzeitarbeitslosen (d.h. nach
60 Monaten Arbeitslosigkeit) liegt Deutschland mit Lohnersatzleistungen in Höhe von 36% des letzten Nettolohns auf
Platz 14 (nicht nur hinter Dänemark mit 59% sondern z.B. auch
Irland, Österreich, Niederlande, Belgien, Großbritannien, …).
Bei den Leistungen für einen Langzeitarbeitslosen mit zwei Kindern
sieht es ähnlich aus, Deutschland liegt hier mit der „Nettoersatzrate"
von 62% an 13. Stelle. Selbst bei einem/einer gerade arbeitslos
gewordenen Alleinstehenden sieht es im OECD-Vergleich ähnlich aus:
14. Platz mit 60% Nettoersatzrate". Nur mit zwei Kindern sieht es
unmittelbar nach dem Arbeitsloswerden in Deutschland etwas besser aus, 8. Platz (73%) .
(Die Originaldaten der OECD in der Excel-Datei - download).
Einen weiteren Gipfelpunkt des Zynismus erreicht die AP Pressemeldung
zur Studie mit folgender Formulierung: „Wäre ein Durchschnittsverdiener in Deutschland bereit, nach Verlust seines Jobs für die Hälfte des alten Lohns zu arbeiten, dann stellt er
sich gar in allen sechs untersuchten Haushaltskonstellationen finanziell
schlechter, als wenn er nicht arbeitet.“ Um daraus zu folgern, dass die
Arbeitsanreize noch zu gering seien.
Dass das Sozialsystem momentan noch verhindert, dass jemand unmittelbar
nach dem Arbeitsloswerden für die Hälfte des vorherigen Verdienstes arbeiten muss, ist einigen neoliberalen Amokläufern offenbar immer noch
zuviel Sozialstaat.
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2. CDU und "Ausgabenproblem" der Stadt Rüsselsheim
Pressemeldungen:
„Die Stadt hat ein Ausgabenproblem“
Haushalt: CDU (Rüsselsheim) holt Rat aus Gelsenkirchen – Kämmerer Klieve empfiehlt Prioritätenliste und
kostendeckende Gebühren (R. Echo, 13.12.2007,
vollständig unter www.echo-online.de/suedhessen/template_detail.php3?id=547173)
Unser Kommentar:
Die Steuereinnahmen der Stadt Rüsselsheim lagen im Durchschnitt
der Jahre 1989 - 1999 bei 84,5 Millionen Euro , im Durchschnitt
der Jahre 2000 - 2006 bei 52,8 Millionen Euro, also rund 40% niedriger.
Natürlich erkennt ein CDU-„Experte“ , nach Ankündigung als „Supervisor“
für den Rüsselsheimer Haushalt und den dafür zuständigen OB Gieltowski
geholt, darin messerscharf ein Ausgabenproblem. Und hat auch gleich
ein paar Lösungen für das „Ausgabenproblem“. Nämlich „alles verkaufen,
was nicht niet- und nagelfest ist“, also (zumindest kurzfristig) die Einnahmen
erhöhen. Und alle Leistungen „egal ob Kitas, Musikschule, VHS, Theater
oder Schwimmbad“ kostendeckend anzubieten, sprich Gebühren und
Eintrittsgelder erhöhen, sprich die Einnahmen erhöhen. Und Schulden an
100%-ige Tochtergesellschaften auslagern. Das verringert zwar weder die Ausgaben noch erhöht es die Einnahmen, aber der im offiziellen Haushalt
ausgewiesene Schuldenstand sinkt. Dass die Stadt diesen buchhalterischen
Trick schon längst verwendet, bremst den CDU-„Experten“ allerdings nicht
in seiner „Kreativität“ . Jetzt wissen wir wenigstens, für welche Art von Expertise Einkauf die CDU
die von ihr gemeinsam mit der SPD beschlossenen doppelt so hohen
Fraktionsgelder (in 2008 gegenüber 2006) verwenden will.
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3. Studie des BMI "Muslime in Deutschland"
Pressemeldungen:
„Muslim-Studie löst Besorgnis in Berlin aus“ „Ferner ergab die Studie,
dass eine Minderheit von acht bis zwölf Prozent der muslimischen
Bevölkerung zur Demokratie deutlich auf Distanz geht“ . (R. Echo v. 21.12.2007)
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Bevölkerung und Sicherheitsbehörden sind alarmiert ob der islamistischen
Bedrohung aus dem eigenen Land. (www.spiegel.de, 20.12.2007)
Unser Kommentar:
Vergleichen wir die obige Angabe mit einigen Angaben über die deutsche Bevölkerung aus der Rechtsextremismusstudie der FES:
„Im nationalen Interesse ist unter bestimmten Umständen eine Diktatur
die bessere Staatsform“,
volle bzw. überwiegende Zustimmung : 9% der deutschen Bevölkerung ;
stimme teils zu sagen weitere 19,5 % der deutschen Bevölkerung „Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert“
volle bzw. überwiegende Zustimmung: 15,4 % der deutschen Bevölkerung;
stimme teils zu sagen weitere 18,7 % der deutschen Bevölkerung.
Man könnte also fast annehmen, dass der muslimische Teil der deutschen
Bevölkerung hier für niedrigere Zustimmungswerte für die anti-demokratischen Aussagen gesorgt hat.
Die vollständige Studie (bereits seit Juli 2007 bekannt, aber jetzt kurz vor
Weihnachten von Schäubles Innenministerium noch einmal medienwirksam
lanciert!) unter http://www.bmi.bund.de/cln_012/nn_122688/Internet/Content/
Broschueren/2007/Muslime_20in_20Deutschland.html )
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