Medienreflex Nr. 2 - August 2016:
Habe nun ach studiert mit heißem Bemühen
zwei Interviews …
Nach der Lektüre einiger Äußerungen von OB Patrick Burghardt im „Echo-Sommerinterview“ (http://www.ruesselsheimer-echo.de/lokales/kreise_of_gross-gerau/Regieren-gegen-Widerstaende;art688,2173641 ), z.B. „Ich muss nun damit arbeiten…“, „Wir als Verwaltung werden selbstverständlich die Beschlüsse umsetzen, die gefasst werden“, „Wir werden jetzt … auch den Haupt- und Finanzausschuss informieren“ glaubte ich, das so deuten zu können, dass er nun fast ein halbes Jahr nach der Kommunalwahl allmählich auch aus dem von ihm und der CDU gepflegten Opfermythos (à la: das linksdominierte Bündnis grätscht ihm aus purer Bosheit in Bebauungs- und sonstige Pläne rein und besetzt alle Posten und Pöstchen) und in Folge aus der Verschleppungs-Trotzhaltung (à la: dann dauert halt alles ein Jahr länger; da muss ich erst noch zwei Leute zusätzlich haben) heraus fände. Von diesem Glauben könnte ich nach der jetzt nachgeholten Lektüre des Main-Spitze-Interviews (http://www.main-spitze.de/lokales/ruesselsheim/erneute-kandidatur-oberbuergermeister-burghardt-strebt-weitere-amtszeit-in-ruesselsheim-an_17207904.htm ) fast abfallen.
Da behauptet er „Es ist schon bezeichnend, wie die Koalition bisher gearbeitet hat, dass zuerst die Posten verteilt wurden und nicht nach Inhalten gearbeitet wurde“. Und jammert „Es gab vorher auch noch nie, dass Gremien ausschließlich aus einer Koalition – außer meiner Person, ich bin Kraft Amtes Mitglied in Gremien – heraus besetzt werden.“
Gleich drei verzerrte, fehlerhafte Darstellungen. Dass in den ersten beiden Stadtverordnetenversammlungen nach einer Kommunalwahl viele Personalentscheidungen/ Postenbesetzungen auf der Tagesordnung stehen, liegt nicht an der Arbeitsweise des Bündnisses sondern an Gesetzen, Satzungen … Parallel hat das Bündnis inhaltliche Anträge eingebracht, zum Bebauungsplan für das ehemalige SC Opel-Gelände, zur Umgestaltung bei den Opelvillen/Festung, zur Nutzung der „Karstadt“-Fläche und deren Umgebung, zur Satzung der Anstalt öffentlichen Rechts, zur Finanzkontrolle beim Hessentag, zum kommunalen Investitionsprogramm …
Dass sich Burghardt einerseits über die Inhalte dieser Anträge beschwert, andererseits den Eindruck zu erwecken versucht, dass „nicht nach Inhalten gearbeitet wurde“ ist absurd.
Wie die Besetzung der Gremien erfolgte, kann jede/r Interessierte in den öffentlich zugänglichen Protokollen der Stadtverordnetenversammlungen (https://rim.ekom21.de/ ruesselsheim/termine ) vom 21. April und vom 2. Juni nachlesen. Umso verwunderlicher Burghardts Desinformationsversuch. So stellt die CDU mit 28,5 % der WählerInnenstimmen drei von neun Magistratsmitgliedern (nach einer Listenwahl für die ehrenamtlichen Mitglieder); eine Ausschussvorsitzende und einen stellvertretenden Ausschussvorsitzenden (jeweils von den BündnisvertreterInnen mitgewählt). In den Aufsichtsrat des GPR (Gesundheits- und Pflegezentrum) wurde Thorsten Weber/CDU mit den Stimmen des Bündnisses gewählt, genauso wie Thorsten Weber und Johann Schleidt in die Verbands-versammlung des Abwasserverbands, Michael Ohlert in den Aufsichtsrat der Stadtwerke und Stefanie Kropp in den der Beteiligungsgesellschaft.
Zu den übrigen „Ungenauigkeiten“ und Verzerrungen in den beiden Interviews erstmal nur ein Beispiel (die Sonne lockt nach draußen): Noch im April verkündete Burghardt „„In Rüsselsheim gibt es wie in der gesamten Region einen großen Bedarf an günstigem Wohnraum. Neubaugebiete bieten eine große Chance für Projekte, in denen ein Teil des Wohnraums für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen wird“ und „Interessant fände er, dass die Stadt Frankfurt ihre Grundstückspolitik entsprechend anpassen und bei einer Ausschreibung von städtischen Flächen für den Geschosswohnungsbau einen gewissen Prozentsatz dem geförderten Wohnungsbau vorbehalten wolle“ . Nun bezeichnet er die Vorschläge des Bündnisses zum sozialen Wohnungsbau als „verträumte Ideologie, fern von Sachpolitik“.
Seine Begründungen:
a) wir haben „allein bei der Gewobau“ schon einen „Anteil von knapp 30 Prozent“. Anmerkung dazu: Da die Gewobau allein mehr als 80 Prozent aller Sozialwohnungen in Rüsselsheim besitzt, beträgt der Anteil der Sozialwohnungen am gesamten Rüsselsheimer Wohnungsbestand ca. 8,4 Prozent.
Und b), so Burghardt, durch die Fehlbelegungsabgabe wird Rüsselsheim jährlich knapp 400.000 Euro für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus zur Verfügung haben. Das reiche aber für die bereits zitierten „verträumten ideologischen Vorschläge“ bei weitem nicht aus.
Anmerkung hierzu: Der Antrag des Bündnisses für das geplante Quartier am Ostpark sieht dort 25 bis 30 Prozent der Wohnfläche für sozialen Wohnungsbau vor. Das dürften zwischen 40 und 50 Wohneinheiten sein. Als kommunale Komplementärfinanzierung (auf die in Ausnahmefällen mit Ministeriumsgenehmigung vezichtet werden kann) sind gemäß HWoFG 10.000 Euro (oder eine verbilligte Bereitstellung von Bauland im entsprechenden Wert) je Einheit beizusteuern (wodurch die Kommune dann auch Belegungsrechte erhält).
Heinz-Jürgen Krug