Medienreflex September 2016:
Stadtverordnetenversammlung Rüsselsheim: Falten im Raum-Zeit-Kontinuum
Ich weiß, Raum und Zeit und ihre Relativität bzw. Begrenztheit sind nicht nur für Physiker+Philosophen ein Problem sondern auch für Journalisten. Robin Göckes hat daher im Rüsselsheimer Echo letzte Woche mit „Stadtpolitik im Zeitraffer“ versucht (http://www.ruesselsheimer-echo.de/lokales/ruesselsheim/ So-laeuft-eine-Stadtverordnetensitzung-ab;art57641,2232530 ) die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser zu erhalten. Zum Glück bietet ja Mark Zuckerberg im Tausch gegen meine Daten und den Platz auf meinem Bildschirm für „seine“ Werbung praktisch unbeschränkten Raum zu mehr oder weniger sinnvollen Anmerkungen und Erweiterungen.
Die im Artikel erwähnten verwiesenen Anträge werden nicht direkt an die zuständigen Fachausschüsse gegeben sondern zunächst an den Magistrat, damit der die Fachmenschen in der Verwaltung (und sich selbst) damit beauftragt, möglichst aussagekräftige, Varianten darstellende Vorlagen zu erstellen, die dann in den Fachausschüssen und der Stadtverordnetenversammlung (StVV) diskutiert und beschlossen werden.
Zum Widerspruch des OB gegen den Juli-Beschluss der StVV, den Magistrat aufzufordern, ein Normenkontrollverfahren wegen der in der Satzung der Rüsselsheim/Raunheim-Anstalt gesetzeswidrig fehlenden Austrittsmöglichkeit einzuleiten, blieb es tatsächlich „weitestgehend ruhig“. Schließlich trage ich meine Kritik+Argumente nun mal weitestgehend ruhig vor. Zunächst kritisierte ich, dass es vom OB zu seinem Widerspruch keinerlei Begründung gab. Da bei der ersten Abstimmung die von ihm vorgetragenen Argumente gegen die (hauptsächlich von mir) vorgetragenen Gegenargumente keine Mehrheit fanden, hätte frau/man eine Schärfung, Erweiterung … seiner Argumente doch erwarten dürfen. Eines seiner zentralen Argumente war, dass der Austritt einer Kommune bei nur einem verbleibenden Anstaltsträger ja der Auflösung gleich käme und die sei schließlich geregelt. Nun kann eine Anstalt aber auch von einer (1) Trägerkommune weitergeführt werden. Das ist sowohl im Gesetz als auch z.B. in der Satzung der Anstalt Neu-Isenburg/Dreieich (von der gleichen Beraterfirma ausgearbeitet wie hier)klar geregelt und wurde dementsprechend in einem Papier der Beraterfirma in 03/2015 so zusammengefasst „Die Kündigung einer Trägerstadt bedeutet nicht automatisch die Auflösung einer Anstalt öffentlichen Rechts. Diese könnte sogar mit nur einem Träger (Kommune) fortgeführt werden“. Der OB hat auf meinen Vorhalt den gesetzeswidrigen Wegfall einer solchen Regelung in der in 10/2015 vorliegenden Satzung mit „das haben wir absichtlich rausgenommen“ begründet.
In der Main-Spitze wurde im Artikel „Weiter Streit um Satzungsprüfung“ immerhin ein Argument gebracht – eines des Rechtsamts für den OB. Das behauptet, der Magistrat habe nicht das Recht, ein Normenkontrollverfahren zu beantragen. Das von mir vorgetragene Gegenargument des die linke Liste beratenden Anwaltbüros konnte wohl wegen Platzmangels den Leserinnen der Main-Spitze nicht auch noch zur Verfügung gestellt werden.
Zum Thema Karstadt hat nicht „die SPD die umstrittenen Punkte gestrichen bzw. verändert“ (wir sind wieder beim Echo-Zeitraffer-Artikel), sondern das Bündnis aus SPD, WsR, Grünen und Linke/Liste Solidarität hat dies mit einem neu eingereichten Antrag getan. Schließlich wollte das Bündnis dem OB jeden Vorwand zur Verzögerung nehmen. Die Behauptung „das Thema ist vom Tisch“ gilt also nur für diese StVV-Sitzung. Das Thema der Kontrolle und Offenlegung finanzieller Transaktionen mit Steuergeldern ist viel zu wichtig, als das frau/man Patrick Burghardt mit seiner versuchten Verschleierungstaktik so einfach unter dem Tisch davon kommen lassen könnte.
Zum Finanzbericht erfährt die geneigte Leserin nur, dass es zwischen „Linke und CDU einen kurzen argumentativen Schlagabtausch“ gab. Welche Argumente wurden denn ausgetauscht? Zeitraffer aus: Zum einen kritisierte ich des OB Beschimpfung des Kollegen Tollkühn in facebook (https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid= 10210144163819602&id=1203628001, Stand 29.09.2016) „Auch wenn ich keine Zeit und Lust habe immer deine Behauptungen zu wiederlegen und ich denke, dass du es besser wissen musst als Mitarbeiter des Kreises Groß-Gerau im Bereich Cotrolling hier die Erläuterungen der Zahlen die du eigentlich aus dem Haushalt sehen solltest!“ Der OB versuchte erst garnicht zu bestreiten, dass Tollkühn recht hatte, er sagte nur „Das gehört halt dazu“ – also die bewusste Diffamierung gehört zum von ihm gepflegten politischen Stil?!
Zu dem Eigenlob des OB, wie toll er dafür gesorgt hat, dass mit dem erwarteten Jahresdefizit von 14,6 Mio Euro die Vorgabe der „Schutzschirm“vereinbarung (16,9 Mio) eingehalten wurde, merkte ich an, dass Rüsselsheim netto knapp 11 Mio Euro vom Land mehr aus dem Kommunalen Finanzausgleich erhält. Und dass dies daran liegt, dass der Staatsgerichtshof die vorherige Mittelvergabe als verfassungswidrig erklärte, das Land also zu der Reform zwang. Und dass auf die Verfassungswidrigkeit der Kommunalfinanzierung in Rüsselsheim lange Jahre nur die linke Liste hingewiesen und auf die Behebung dieses Zustandes gedrängt hatte.
Der Tagesordnungspunkt „Anfragen und Mitteilungen“ war tatsächlich „schnell erledigt“. Allerdings steckt zumindest in einer Frage von mir eine gehörige Brisanz, nämlich zum Thema Beratungs-/Gutachterkosten zur Vorbereitung und Begleitung der Betriebshöfe-AöR. Dazu hieß es ja , das Fördergeld (100 Tsd) des Landes dient zur Deckung dieser Kosten. Anlässlich des Bewilligungsbescheids für die 100 Tsd Euro Anfang Juli hatte ich deshalb angefragt, ob es denn zur Kostendeckung reichen wird. "Herr Oberbürgermeister Burghardt sagt zu, dass die Antwort nachgereicht wird." (Protokoll) . Jetzt 11 Wochen später (nach Geschäftsordnung sollte eine Anfrage innerhalb von 6 Wochen beantwortet werden) habe ich erneut gefragt. Kurze Antwort: "ich antworte schriftlich". In beiden Zeitungen wurde und wird dieser Punkt nicht erwähnt. Angesichts der Antwort-verweigerung (ich bin sicher, dass der OB die Zahlen sehr schnell aus den Erläuterungen zu den Jahresabschlüssen 2014 und 2015 entnehmen bzw. sie sich vom vormaligen Betriebsleiter der Betriebshöfe und jetzigen Vorstand der Anstalt blitzschnell erfragen könnte) gehe ich mal vorläufig davon aus, dass der Gesamtbetrag, der seit 2014 für die AöR-Gründung und Begleitung ausgegeben wurde, um ein Mehrfaches über den 100 Tsd Euro liegt. Und dass dies einen Teil des gegenüber der langjährigen Kostenerstattung an die Betriebshöfe um gut eine Million Euro erhöhten Budgets der AöR bewirkt. Wie lange kann der OB seine Verschleierung gegenüber Stadtverordneten und Öffentlichkeit noch durchhalten?
Heinz-Jürgen Krug