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Grundsätze
Viele Menschen in Deutschland hegten die
Hoffnung, dass mit dem Regierungswechsel 1998 die neue rotgrüne
Regierung gemeinsam mit weiteren sozialistisch/sozialdemokratisch
regierten Ländern offensiv für ein europäisches
Gegenmodell zum Kapitalismus ohne Wenn und Aber arbeiten würde.
Das Ausscheiden von Oskar Lafontaine aus der Regierung, die Beteiligung
Deutschlands am Jugoslawienkrieg, und nicht zuletzt das "Schröder-Blair-Papier"
sind Stationen einer politischen Fehlentwicklung. Die Regierung
des SPD-Kanzlers Schröder setzt in anderer Form die Umverteilungspolitik
der Kohl-Regierung fort. Ein Beispiel dafür ist die geplante
Rentenreform. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden belastet,
die Reichen entlastet. Dies verweist mit Nachdruck darauf, dass
eine politische Alternative links von SPD und Bündnis 90/Die
Grünen dringend benötigt wird. Wir wollen versuchen
auf kommunaler Ebene diese zu entwickeln.
1. Die deutsche und die globale Entwicklung ist
durch die faktische weltweite Durchsetzung einer deregulierten
Marktwirtschaft gekennzeichnet. Obwohl heute alle Voraussetzungen
für eine solidarische Weltordnung ohne Ausbeutung des Menschen
durch den Menschen gegeben sind, findet unter der Hegemonie neoliberaler
Ideologien ein ruinöser Wettbewerb statt, der weltweit die
Natur zerstört, natürliche Ressourcen sinnlos verbraucht,
immer mehr Menschen in die Arbeitslosigkeit drängt und immer
mehr Länder (des Südens) von der ökonomischen Entwicklung
der Industriestaaten abkoppelt. In allen gesellschaftlichen Bereichen
sowie regional, national und weltweit verringern sich die demokratischen
Einflussmöglichkeiten der Menschen und werden die Möglichkeiten
abgebaut, ökonomische Macht politisch zu regulieren und zu
kontrollieren.
2. Eingebunden in den Prozess der Globalisierung
entwickelt die NATO Strukturen, die es ihr erlauben ihren Herrschaftsanspruch
auch außerhalb des Gebietes der Mitgliedsländer ggf.
militärisch durchzusetzen. Wir sind der Auffassung, dass
die Bundeswehr - nicht zuletzt aufgrund der historischen Erfahrungen
Deutschlands - sich keinesfalls an militärischen Einsätzen
beteiligen darf. Desweiteren halten wir die NATO nach Ende des
kalten Krieges für historisch überholt, sie ist daher
aufzulösen und die Bundeswehr radikal abzurüsten.
3. In den Industriestaaten geht
die totale Durchsetzung der Marktprinzipien in allen Lebensbereichen
der Gesellschaft einher mit dem Ende der traditionellen Industriegesellschaft.
Die Zahl der in der industriellen Produktion beschäftigten
Menschen sinkt aufgrund des Missverhältnisses zwischen großen
Produktivitätssteigerungen und stagnierender Nachfrage. Diese
Entwicklung wird aber nicht dazu genutzt, die Erwerbsarbeitszeit
zu reduzieren, sondern soll im Sinne ungebremster Kapitalverwertung
dazu führen, eine "Dienstleistungsgesellschaft"
zu etablieren, in der immer mehr menschliche Tätigkeiten
und Lebensäußerungen den Marktgesetzen unterworfen
werden und Warencharakter bekommen. Dieser schlechten Wirklichkeit
stellen wir die Utopie einer sozialen in Einklang mit der Natur
sich entwickelnden friedlichen, toleranten und demokratischen
Gesellschaft gegenüber. Diese Zielvorstellung ist für
uns auch der Maßstab zur Beurteilung der gegenwärtigen
Tagespolitik.
4. Es war und bleibt das große
Verdienst der 68er Studentenbewegung gegenüber der kulturellen
Dominanz autoritärer und unkritisch leistungsorientierter
Wertmuster erstmals in einem größeren Umfang kritischem
Denken im Nachkriegsdeutschland zum Durchbruch verholfen zu haben.
Insbesondere gilt dies für die kritische Auseinandersetzung
mit dem und die Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Die vehement
erhobene Forderung nach mehr Demokratie zielte auf den Staat als
Ganzes aber auch auf die alltäglichen Lebenszusammenhänge
in Schulen, Hochschulen, Betrieben und Verwaltungen.
Für uns ist es kein Zufall, dass heute zunehmender Rechtsradikalismus
zeitgleich mit konservativer Kritik an der 68er Bewegung und einem
allgemein dominierenden Marktradikalismus einhergehen. Insbesondere
die CDU diffamiert in immer neuen Kampagnen kritisches Denken,
fördert Ausländerfeindlichkeit und Stammtischmentalität.
Die Propaganda einer sogenannten deutschen "Leitkultur"
ist nur ein neuer Versuch, das politische und kulturelle Klima
in Deutschland noch weiter nach rechts zu verschieben. Wenn die
Gesetze des Marktes in den Rang von uneingeschränkt gültigen
Naturgesetzen erhoben werden, ist kultureller Verfall einerseits
und die Ausbreitung von inhumanen, rassistischen und neofaschistischen
Denk- und Verhaltensmustern nicht zu verhindern. Deshalb kann
es nicht gelingen, über einen zur formalen Staatspflicht
erhobenen Antifaschismus die an der Basis der Geselltschaft bestehenden
Probleme zu lösen. Der heutige Rechtsradikalismus muss als
Konsequenz marktwirtschaftlichen Denkens erkannt werden, weil
rassistisches Denken auch ein Versuch ist, sich durch Zugehörigkeit
zur "besseren" Rasse einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
5. Deutschland ist ein Einwanderungsland.
Die Gesellschaft in Deutschland ist multiethnisch. Die multiethnische
Gesellschaft ist durch die Einwanderung vieler Menschen mit verschiedenen
ethnischen Identitäten entstanden. Die Vielfalt der Kulturen
ist positiv aufzufassen, denn die vielen Kulturen bedeuten eine
Bereicherung für die Menschen in diesem Land. Durch die Kulturvielfalt
entwickelt sich eine Gesellschaft, in der Menschen aus verschiedenen
Kulturkreisen sich gegenseitig beeinflussen und viel voneinander
lernen können. Eine multiethnische Gesellschaft muss auf
Toleranz und Akzeptanz basieren, damit sie überhaupt friedlich
existieren kann. Die Einstellung, die Minderheit habe sich der
Mehrheit anzupassen , lehnen wir ab.
Stattdessen sind Mehrheit und Minderheit aufgefordert sich zu
öffnen und aufeinander zuzugehen, bzw. sich gegenseitig kennenzulernen.
Das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Kulturen ist zu
fördern. Abschottung, Rassismus und Feindlichkeiten sollten
durch eine tolerante und offene Gesellschaft ersetzt werden. Menschen
nichtdeutscher Herkunft, die ihren Lebensmittelpunkt in der BRD
haben, sind keine AusländerInnen. Sie sind InländerInnen.
Deswegen müssen sie die gleichen Pflichten und Rechte wie
der Rest der Gesellschaft haben. Das passive und aktive Wahlrecht
sollte jede/r EinwohnerIn, der BRD, der/die ihren Lebensmittelpunkt
in der BRD hat, haben. Indem die MigrantInnen und ihre Kinder
als Inländer behandelt werden, ist die jetzige Ausländergesetzgebung
überflüssig. Wir fordern die Abschaffung des menschenrechtsverletzenden
Ausländergesetzgebung, da sie die MigrantInnen und ihre Kinder
diskriminiert. Dieses Gesetz dient nur der Ausgrenzung der MigrantInnen
und ihre Kinder von der bundesrepublikanischen Gesellschaft.
Wir setzen uns für die Abschaffung der jetzigen Abschiebepraxis
ein. Eine Prüfung, wo Menschenrechte mit Füßen
getreten werden und wohin deshalb auf keinen Fall abgeschoben
werden darf, muss durch unabhängige, vom Staat finanzierte
Institutionen (z.B. amnesty international, Pro Asyl) erfolgen.
Wir benötigen ein humanes Einwanderungsgesetz, welches die
sozialen Aspekte mitberücksichtigt. Politische Verfolgte
genießen Asylrecht. Heute verhindert der neu eingefügte
Artikel 16a des Grundgesetzes, dass das Recht auf Asyl ohne Einschränkungen
wahrgenommen werden kann. Ein Asylrecht unter Berücksichtigung
der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen
Menschenrechtskonvention ist wieder einzuführen.
Verschiedenen Aktionen und Kampagnen von meinungsführenden
Politikern und Medien schüren die fremdenfeindliche Stimmung
im Land. Parteien und Politiker, die mit dem Thema "Ausländer"
Wahlkampagnen durchführen, sind aufgrund ihrer rassistischen
Politik zu verurteilen.
6. Es ist das erklärte Ziel
der Liste Solidarität, die Anliegen ihrer Wählerinnen
und Wähler in den politischen Entscheidungsprozess einzubringen
. Dabei gehen wir von einem kritischen Verhältnis zum Parlamentarismus
aus. Macht und Einflussmöglichkeiten von Parlamenten waren
schon immer beschränkt und finden ihre Grenzen unter anderem
in den gesellschaftlichen Macht- und Herrschaftsstrukturen. Der
Prozess der sogenannten Globalisierung beschleunigt diesen Abbau
politischer Einflussmöglichkeiten und ist somit auch ein
Prozess der Entdemokratisierung. Die politisch gewollte Finanzknappheit
der Kommunen untergräbt die lokalen Handlungsspiel räume,
die kommunale Selbstverwaltung und die Grundlagen des Sozialstaates.
Gerade deshalb ist es aber für uns dringlich geboten, der
allgemein herrschenden Wettbewerbsideologie, die den Menschen
zum "Standortfaktor" degradiert, die konkreten menschlichen
Lebensbedürfnisse entgegenzustellen und Mut zu machen, berechtigte
Ansprüche auch mit Nachdruck öffentlich zu vertreten.
Wir verstehen uns daher als Stimme sozialer, internationaler,
ökologischer und soziokultureller Initiativen Rüsselsheims
im Parlament. Die Thematisierung ihrer Anliegen in der Stadtverordnetenversammlung
sehen wir zunächst als einen Beitrag zur Rekonstruktion demokratischer
Öffentlichkeit. Sollte sich die Möglichkeit bieten,
durch die konstruktive, zur Zeit nicht absehbare, Zusammenarbeit
mit anderen Gruppierungen oder Parteien soziale, ökologische,
kulturelle oder politische Anliegen von RüsselsheimerInnen
durchzusetzen, so werden wir dies dann tun, wenn es ohne Preisgabe
unserer Grundpositionen möglich ist.
7. Eine Gruppe, die sich dem Ideal
einer solidarischen Gesellschaft verpflichtet fühlt, ist
nur dann glaubwürdig, wenn die in ihr tätigen Menschen
auch einen solidarischen Umgang untereinander pflegen. Die Gruppe
muss die Möglichkeit bieten, dass sich Menschen unterschiedlich
intensiv und entsprechend ihrer Möglichkeiten und Bereitschaft
an der politischen Arbeit beteiligen. Zum solidarischen Umgang
gehört auch die Akzeptanz von punktuellen Minderheitenpositionen,
soweit sie nicht im Widerspruch zu den Grundsätzen stehen.
Wer in der Liste Solidarität mitarbeitet, lässt sich
auf einen Prozess ein, in dem Menschen aus unterschiedlichen sozialen
Feldern, ihre Interessen und Kompetenzen einbringen. Ein toleranter
und offener Umgang miteinander gewährleistet, dass alle die
Lust an Politik und Einmischung behalten und die Liste Solidarität
öffentliche Aktzeptanz und neue MitstreiterInnen gewinnen
kann.
Rüsselsheim, 20.12. 2000
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